Julia Simic im ESP3 – Interview Teil 2
“Die Botschaft Fußball kann und ist so viel mehr, gebe ich gerne weiter. Es geht im Mannschaftssport ja nicht nur darum das Kicken zu lernen, wenn wir jetzt beim Fußball bleiben. Man lernt sich durchzusetzen, sich in einer Gruppe/ Mannschaft einzubringen und neben den ganzen sportlichen Fähigkeiten bildet man viele menschliche und persönlichkeitsfördernde Merkmale aus. Man lernt Life-Skills.”
Herzlich willkommen zum zweiten Teil unseres Interviews mit Julia Simic von West Ham United.
ESP3: In einem früheren Interview hast du über die Haltung zum Frauenfußball gesprochen. Dass er bis in die 70er Jahre in Deutschland gar noch verboten war und es zu dem Zeitpunkt des Interviews Gegner gab, die strikt dagegen waren oder ihn belächelt haben. Siehst du fast 10 Jahre später einen gewissen Wandel?
Julia Simic: In England beispielsweise ist der Frauen-Fußball relativ akzeptiert. Damit meine ich, dass es wenige öffentliche, kritische Stimmen gegenüber dem Frauenfußball gibt. Gerade bei den ganzen Kampagnen begibst du dich da auf sehr dünnes Eis, wenn du Anti-Frauenfußball bist. Was auch verständlich ist, denn weshalb sollten Frauen keinen Fußball spielen oder spielen dürfen. Dass es belächelt wird oder weniger akzeptiert ist von vielen Seiten, ist aber weiterhin eine Tatsache, da muss man auch nur nach Deutschland schauen. Es gibt hier ja immer noch Vereine wie den BVB, Schalke 04 oder die Hertha, die keine Frauenabteilung führen wollen, aus bestimmten Gründen. Klar kann man am Ende immer damit argumentieren, es sei nicht wirtschaftlich. Hier kann man in England beispielsweise sehen, dass da der gesellschaftliche Druck oder auch der des Verbands so groß ist, dass man sich dagegen überhaupt nicht wehren kann. Es besteht beinahe eine Verpflichtung dazu. Ein gutes Beispiel ist hier Manchester United, die vor 2 Jahren in der zweiten englischen Liga gestartet sind und einen Club komplett übernommen haben. Dafür hat sich der englische Nationaltrainer Phil Neville stark gemacht und meinte, dass es nicht sein könne, dass so ein großer und traditionsreicher Verein wie ManUtd keine eigene Frauenabteilung habe. Das wurde dann richtig gut umgesetzt und mittlerweile spielen sie in der ersten Liga immer um die Top 4.
ESP3: Es gibt die kritischen Stimmen also immer noch in zu großer Häufigkeit.
Julia Simic: Wie gesagt, Gegner des Frauenfußballs gibt es leider immer noch und es ist auch immer noch etwas Besonderes, wenn ein Mädchen sagt, dass es Fußball spielen möchte. Da muss man sich wahrscheinlich dann als Frau sogar noch innerhalb der Familie Kritik anhören und sich durchsetzen. Ich glaube aber auch, je mehr Möglichkeiten es für Mädchen gibt Fußball zu spielen und je mehr Frauenfußball in Medien, wie TV, Zeitungen oder auch Social Media, gezeigt wird, desto normaler und akzeptierter wird das Ganze. Das haben wir noch nicht erreicht, es wird aber besser.
ESP3: Dazu trägst du deinen Teil bei und weckst Interesse, bestärkst Mädchen darin Fußball zu spielen. 2019 hast du das Julia Simic Girls Camp ins Leben gerufen. War das schon lange ein Anliegen von dir?
Julia Simic: Ja das war schon immer in mir drin, dass ich eine Art Fußballschule gründen möchte. In der Sommerpause ist immer sehr viel Zeit und man macht eigentlich nicht viel, außer in den Urlaub zu fliegen und sich auf die neue Saison vorzubereiten. Deswegen habe ich mir dann überlegt, dass ich 1-2 Woche Zeit bereitstellen könnte, um auch mal etwas aktiv zu gestalten. Mädchen die Chance zu geben, auch neben ihrem Vereinsfußball, Fußball zu spielen und das auch eben mal nur für Mädels. Daraufhin habe ich mich umgehört und recherchiert und es wurde schnell klar, dass es sowas in dieser Art einfach noch nicht gab und gibt. Die einzige Möglichkeit für Mädchen war an Camps teilzunehmen, in denen beispielsweise 50 Jungs und 2-3 Mädchen teilnahmen. Ich habe das dann letzten Sommer als Experiment gestartet und mittlerweile hat sich das Ganze gut etabliert. Die Nachfrage war auch sehr gut und das Schöne daran, sie war mit sehr viel Dankbarkeit verbunden, da die Mädchen und Eltern das sehr zu schätzen wissen, eine Option neben dem Vereinstraining zu haben. In England mach ich die Camps mittlerweile auch, versuche das Ganze natürlich immer weiter auszubauen, sodass ich immer, wenn ich eine Lücke im Terminkalender habe, ein Camp reinquetsche (lacht). Ich versuche eine Regelmäßigkeit reinzubringen, um das nach meiner Karriere richtig ausbauen zu können.
“Ich erkläre aber auch, dass Fußball ja nicht nur für diejenigen da ist die das später dann professionell machen. Fußball kann so viel mehr sein. Es gibt mittlerweile Möglichkeiten sich, auch im Frauenfußball, auf anderer Ebene zu etablieren.”
ESP3: In den Camps geht es nicht nur um das Fußball spielen per se. Du vermittelst den junge Damen auch kritische Einblicke, in den Profibereich und den Fußball. Was möchtest du den Mädchen mit auf den Weg geben?
Julia Simic: Ich verdeutliche natürlich die Basics, dass man viel trainieren muss, um irgendwann einmal Bundesliga spielen zu können. Dass man auf viel verzichten muss und wenn das nicht gern gemacht wird, es sehr schwierig werden kann. Ich erkläre aber auch, dass Fußball ja nicht nur für diejenigen da ist die das später dann professionell machen. Fußball kann so viel mehr sein. Es gibt mittlerweile Möglichkeiten sich, auch im Frauenfußball, auf anderer Ebene zu etablieren. Frauenfußball schafft Arbeitsplätze, in denen man auch arbeiten kann, ohne es zur Profispielerin geschafft zu haben. Sei es als Trainerin oder im Bereich der Athletik, dem Marketing- Social Mediabereich, es gibt so viele Möglichkeiten. Die Botschaft Fußball kann und ist so viel mehr, gebe ich gerne weiter. Es geht im Mannschaftssport ja nicht nur darum das Kicken zu lernen, wenn wir jetzt beim Fußball bleiben. Man lernt sich durchzusetzen, sich in einer Gruppe/ Mannschaft einzubringen und neben den ganzen sportlichen Fähigkeiten bildet man viele menschliche und persönlichkeitsfördernde Merkmale aus. Man lernt Life-Skills.
ESP3: Das Wort Social Media ist heute schon des Öfteren gefallen. Bei vielen Kritikern herrscht oft ein bestimmtes Bild, ein bestimmter Stereotyp von Fußballspielerinnen vor. Wie hilfreich ist es eine andere Seite von Fußballspielerinnen zeigen und den Frauenfußball in Social Media als Marke präsentieren zu können?
Julia Simic: Das ist an sich immer eine persönliche Sache der Einstellung. Es gibt viele Kolleginnen oder generell Athleten, die da nicht so affin sind und es vielleicht auch als Zeitverschwendung betrachten. Ich persönlich sehe es als Chance, wie du sagtest, sich und seinen Sport von einer anderen Seite zeigen zu können. Gerade im Frauenfußball gibt es wenige andere Plattformen. Hier helfen Instagram und Facebook auch von meinem Sport zu berichten und sich als Sportlerin, Person und eventuell auch als “Marke“ zu etablieren. Mittlerweile sind Instagramprofile ja auch eine Art Möglichkeit sich zu vermarkten und das empfinde ich als Chance. Es muss natürlich jeder selbst wissen was, wie viel und ob man etwas von seinem eigenen Privatleben mit einbringen möchte. Mir bricht dabei aber bestimmt kein Zacken aus der Krone, wenn ich gewisse Einblicke in mein Privatleben gebe. Ich weiß ja auch wie es ankommt, welches Feedback ich erhalte und es ist auch eine Seite, die ich gerne von mir zeige. Ich glaube auch, dass ich damit Leute erreichen kann, die sonst eben nie zum Frauenfußball finden würden. Ich verstehe natürlich aber auch diejenigen die sagen, dass es nichts für sie ist und nicht wollen, dass man Einblicke in ihr Leben hat.
ESP3: Wenn man dir jetzt einen Vertrag für die nächsten 5 Jahre hinlegen würde, würdest du ihn direkt unterschreiben, hast du vor nicht allzu langer Zeit gesagt. Wie lange bleibst du, realistisch eingeschätzt, der Zirkuswelt Fußball als aktive Spielerin und quasi Person des öffentlichen Lebens noch erhalten?
Julia Simic: Schwierig, solange es geht eigentlich. Nach dieser Saison vielleicht noch ein, zwei Weitere und dann mal schauen, was danach kommt.
ESP3: In deiner Kolumne auf Sport1 zur Frauen Weltmeisterschaft wird deine Sicht und Expertise auf den Fußball deutlich, man merkt, dass du bereits jetzt nicht nur als Spielerin denkst, würde dich ein Trainierinnen-Job nach der aktiven Karriere reizen?
Julia Simic: Ja auf jeden Fall, das ist eine Möglichkeit, die ich für mich sehe. Sowohl bei meinem Camps als auch im Profifußball. Ich habe die Fußballtrainer B-Lizenz gemacht vor ein paar Jahren und Trainerin sein reizt mich natürlich. Nicht in unmittelbarer, absehbarer Zukunft aber mittelfristig absolut.
ESP3: Könntest du dir das Ganze auch für den Männerbereich vorstellen. Julia Simic oder eine andere Trainerin in der Männer-Bundesliga?
Julia Simic: Zurzeit ist das unvorstellbar aber ja es sollte wohl das Ziel sein, dass eine Trainerin im Männerfußball Fuß fasst oder einen Bundesligisten trainiert. Wir sehen aber eben auch, welch mediales Echo Imke Wübbenhorst (erste weibliche Trainerin, (BV Cloppenburg) im Männerfußball) hervorgebracht hat, da ging es um eine Oberliga-Männermannschaft. Das sollte vielleicht nicht so sein aber es zeigt eben, dass es noch etwas sehr besonderes ist.
ESP3: Was wünscht du dir für die Zukunft?
Julia Simic: Flexibel sein, ist eines meiner Ziele im Leben. Die Flexibilität, die man durch den Fußball nie hatte. Dass man einfach mal sagen kann, ich fliege am Wochenende irgendwohin und mache einen Städtetrip, also entscheiden kann wie man seine Wochenenden nutzt und seine Zeit einteilt. Seit ich 14/15 Jahre alt bin, bin ich in Trainingspläne geschachtet, durch die man Geburtstage, Hochzeiten oder andere Dinge verpasst hat. Die Zeit zu haben und zu Gunsten meiner Familie und Freunden einteilen zu können, darauf freue ich mich.
Liebe Julia, vielen Dank für deine Zeit und die interessanten Einblicke. Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg!