Es kommt nicht selten vor, dass diverse Sportarten eine solide Ausprägung mehrerer konditioneller Fähigkeiten erfordert. Zu den konditionellen Fähigkeiten zählt neben der Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, als auch Koordination. Zum Beispiel benötigen Fußballspieler eine solide Kraft, um möglichst schnell zu sprinten, als auch eine adäquate Ausdauer, um 90 Minuten auf dem Platz zu bestehen. Wenn es um spezifisches Training geht spricht man in der Fachsprache vom SAID – Prinzip (Specific adaptions to imposed demands). Das bedeutet nichts anderes, als dass ein Ausdauersportler regelmäßig mit dementsprechenden Pulswerten laufen muss, um spezifische Anpassungen des Herz – Kreislauf Systems zu erzielen. Sportler die schneller werden wollen, müssen dementsprechend die Schnelligkeit trainieren. Spannend wird es nun, wenn Athleten in ihrer Sportart mehrere dieser Fähigkeiten beherrschen und trainieren müssen.
Ist die Befürchtung berechtigt, dass die Muskulatur nicht wächst, wenn ich gleichzeitig Ausdauerreize setze?
Eine berechtigte Frage. Denn wir alle haben bei dem klassischen Ausdauerathleten wie dem Marathonläufer eine schlanke, nicht sehr muskulöse Person vor unserem inneren Auge. Um diese Frage adäquat beantworten zu können, müssen wir uns zwei Signalwege näher anschauen. Der Aufbau von Muskulatur erfolgt dann, wenn mehr Proteine auf-, als abgebaut werden. Der erste Schritt, der dafür nötig ist, ist logischerweise der Trainingsreiz. Durch diesen Reiz setzt sich eine ganze Kaskade an Stoffwechselvorgängen in Gang. Dazu zählen beispielsweise die Transkription und die Translation. Während bei der Transkription durch ein Gen auf der DNA eine Kopie (mRNA) erstellt wird, erfolgt der nächste Schritt durch die Translation. Bei der Translation werden die Aminosäuren in ein Protein übersetzt. Genau diese Anpassungen wünscht man sich durch ein Krafttraining mit dem Ziel Muskelaufbau. Im Gegensatz dazu werden im Falle eines Ausdauertrainings mehr Mitochondrien innerhalb einer Zelle gebildet, sodass die Ausdauerleistungsfähigkeit steigt.
Signalwege
Der Proteinkomplex mTor steht hierbei im Mittelpunkt. Einfach ausgedrückt sorgt mTor dafür, dass die Translation beginnt. Je mehr mTor aktiviert wird, umso mehr Muskelproteine entstehen infolgedessen, theoretisch. Darüber hinaus sind zahlreiche weitere Hormone am Muskelaufbau beteiligt.
Was der mTor Signalweg beim Krafttraining darstellt, ist der AMPK Signalweg beim Ausdauertraining. Die AMP- abhängige Kinase (AMPK) ist ein Enzymkomplex, der aktiviert wird, sobald sehr niedrige ATP- & Glykogenreserven beziehungsweise ein hohes Verhältnis von AMP und ATP herrschen.
Die Muskulatur nutzt ebenfalls ATP als Energiequelle. Nachdem ATP verbraucht wurde, wird es zu ADP beziehungsweise AMP abgebaut. Grundsätzlich ist es die Aufgabe von AMPK die Zelle vor großen Energiemangelzuständen zu schützen. Dabei aktiviert AMPK das PGC – 1α dass ähnlich wie mTor als Regulator dient. Allerdings sorgt die PGC – 1α Aktivität anders als die mTor Aktivität für eine erhöhte Transkriptionsrate, wodurch die Neubildung von Mitochondrien angeregt wird.
Zusammenwirken der Signalwege
In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass hohe elektrische Reize wie beim Krafttraining vorwiegend die Signalwege von mTor stimulieren. Während niedrigere jedoch hochfrequentierte Reize wie beim Ausdauertraining AMPK stimulieren. Das legt den Verdacht nahe, dass ein kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining kontraproduktiv sind, jedenfalls im Tierversuch. Beim Menschen konnte dies nicht nachgewiesen werden, im Gegenteil. Neueren Untersuchungen legen nahe, dass ein Kraft- mit anschließenden Ausdauertraining ebenfalls in der Lage ist die PGC – 1α Aktivität zu erhöhen, sodass mehr Mitochondrien hergestellt werden. Allerdings war die mTor Aktivität insgesamt nicht so hoch, wie bei der Vergleichsgruppe, die nur ein Krafttraining absolvierte. Diese Aussagen müssen allerdings richtig interpretiert werden. Die kurzzeitigen Effekte auf Zellebene stellen eher „Schnappschüsse“ von dem dar was innerhalb unseres Körpers passiert. Zwei Dinge können allerdings festgehalten werden:
- Unabhängig wie hoch die Hormonkonzentration nach einer Trainingseinheit war – sie standen in keinem Zusammenhang mit dem Ansteigen in Kraft und Muskelmasse
- Egal ob zuerst Ausdauer und unmittelbar danach die Kraft, umgekehrt oder ein isoliertes Ausdauer- beziehungsweise Krafttraining an aufeinanderfolgenden Tagen absolviert wurde. Alle Gruppen konnten ihre Maximalkraft, die Muskelmasse und die Ausdauerleistungsfähigkeit im Schnitt um 10 bis 20% verbessern.
Daraus kann man schlussfolgern, dass zumindest untrainierte Personen parallel Kraft- und Ausdauer trainieren und sich anschließend auch parallel in Kraft, Muskelmasse und Ausdauer steigern können. Trotzdem bleibt das Thema Concurrent Training ein Schwieriges. Es scheint als wäre ein Ausdauertraining vor der Krafttrainingseinheit zu favorisieren. Inwiefern sich allerdings die Signalwege gegenseitig hemmen oder fördern, kann teilweise nur spekuliert werden. Das Training, der Alltag, der Leistungsstand und aktuelles Ziel des Sportlers sollten näher betrachtet und geplant werden. Pauschale Aussagen bringen den Einzelnen nicht weiter.
Fazit
Als Trainingsanfänger bewirken selbst schwache Ausdauerreize noch Verbesserungen in der Kraft, als auch im Muskelumfang. Andersherum gilt das Gleiche. Ebenfalls fördern bei Trainingsanfängern Kraftreize die Ausdauerleistungsfähigkeit. Das lässt den Schluss zu, dass zumindest Trainingsanfänger und sehr untrainierte Personen Kraft, Ausdauer, als auch Muskulatur gleichermaßen parallel aufbauen können. Je trainierter der Athlet jedoch ist, desto weniger werden ihm Ausdauerreize helfen muskulöser zu werden. Es scheint als hätte sich ein gewisses Gleichgewicht im Körper gebildet und gefestigt, sodass es stärkere Reize benötigt. Für gut austrainierte Sportler bedeutet das, dass darauf geachtet werden sollte, dass trainingswirksame Reize gesetzt werden und Kraft- und Ausdauertrainingseinheiten zeitlich voneinander getrennt absolviert werden. Da ansonsten diverse Effekte und Anpassungen darunter leiden.
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