Herzlichen Glückwunsch! Du fragst dich jetzt sicher wieso? Weil du den ersten Schritt in die richtige Richtung getan hast, indem du mehr über die wohl beste Übung im Kraftraum, die Kniebeuge, erfahren möchtest. Richtig ausgeführt kann man mit der Kniebeuge, wie mit kaum einer anderen Übung im Kraftraum, fast alle konditionellen Fähigkeiten (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Koordination & Beweglichkeit) adäquat trainieren. Darüber hinaus kommt das mentale Training durch schwere Kniebeugen hinzu. Jeder der regelmäßig schwere Kniebeugen ausführt weiß, welch „Nahtoderfahrung“ das sein kann. Nicht weniger anstrengend ist das Kreuzheben. Das allerdings nur mit kleinen Abstrichen (weil die Hüfte beim Start höher ist) an die Effektivität und Effizienz der Kräftigung der hinteren Kette (engl. Posterior chain), in Form von progressiven Gewichtstraining, an die Kniebeuge heran kommt. Im Folgenden erhältst du eine Einführung in das Gewichtstraining mit der Kniebeuge, sodass du in der Lage sein solltest diese korrekt auszuführen.
Den Hip Drive lernen
Um eine ordentliche Kniebeuge durchführen zu können und um langfristig eine progressive Gewichtssteigerung zu erzielen, ist das Erlernen des Hip Drives von entscheidender Bedeutung. Um die für sich individuelle Standbreite zu finden, sollte man sich Schulterbreit hinstellen, wobei die Zehen in einem 30 Grad Winkel nach außen zeigen. Ein zu breiter Stand würde dabei nur unnötig die Dehnbarkeit der Adduktoren testen, während ein zu enger Stand ebenfalls nicht optimal wäre. Wichtig hierbei ist das passende Schuhwerk. Vor allem Gewichtheberschuhe können hier für den ein oder anderen ein Segen sein und wären auf keinen Fall eine Fehlinvestition. Steht man nun passend, geht man tief in die Hocke, um sich mit der unteren Endposition vertraut zu machen. Dies geschieht noch alles ohne die Langhantel, die das Erlernen der unteren Endposition in dieser Situation nur unnötig erschweren würde. Sicher wird der ein oder andere sich nun fragen, welches die richtige Endposition ist. Die Antwort darauf ist, dass es dafür keine Musterlösung gibt. Wie eine Kniebeuge letztendlich aussieht ist individuell verschieden, weil einige Faktoren, wie zum Beispiel die Femur oder Tibialänge sowie der Hüftgelenkswinkel eine entscheidende Rolle spielen.
So kann es durchaus vorkommen, dass zwei Sportler die Kniebeuge für ihre Hebel, Proportionen korrekt ausführen, diese jedoch etwas unterschiedlich aussehen. Die optimale untere Endposition ist die, in der man sich am wohlsten fühlt. Der Rückenwinkel sollte dabei circa 45 Grad betragen, die Fußsohlen liegen flach auf dem Boden, während die Knie nach außen gedrückt werden & in Verlängerung der Füße sind. Fühlt man sich in dieser unteren Endposition instabil, kann man zur Unterstützung die Ellenbogen gegen die Innenseite der Oberschenkel drücken, beziehungsweise die Hände gegeneinander pressen. Eine Hilfestellung für all diejenigen die mangels ausreichender Beweglichkeit Probleme in dieser Position haben wäre es eine Gewichtsscheibe oder Kurzhantel (z.B. 5 kg) nah vor dem Körper zu halten, umso besser in der Position verweilen zu können. Wem diese Position Probleme bereitet, hat vermutlich ein Problem mit der Beweglichkeit. Beweglichkeit ist allerdings eine absolute Voraussetzung für eine optimale Kniebeuge. Dementsprechend bleibt denjenigen nichts anderes übrig, als die untere Endposition regelmäßig zu üben.
Der Fokus in der Aufwärtsbewegung liegt nun auf dem nach oben stoßen der Hüfte. Ja, richtig gelesen. Man sollte sich NICHT vorstellen die Knie zu strecken. Der Fokus liegt darauf die Hüfte kraftvoll nach oben zu stoßen. Der Rest erledigt sich in der Regel von selbst. Um die korrekten motorischen Einheiten zu rekrutieren, um den Dehnreflex optimal nutzen können & weil wir nicht an einer Beinpresse sind, ist es hinderlich sich vorzustellen, dass wir den Boden wegdrücken wollen. Zur Hilfe kann der Trainingspartner oder der Trainer dem Sportler in der unteren Endposition Druck auf die untere Wirbelsäule geben. Dadurch bekommt der Sportler einen taktilen Reiz.
Ein weiteres Hindernis, dem der Sportler beziehungsweise der Trainer ausgesetzt ist, ist die Blickrichtung während der Kniebeuge. Als besonders hilfreich für eine optimale Blickrichtung hat sich der Tennisball erwiesen. In dem man sich den Tennisball unter das Kinn klemmt hat man quasi keine andere Möglichkeit mehr als die richtige Position der Halswirbelsäule beziehungsweise der Blickrichtung, einzunehmen. So landet der Blick automatisch circa zwei Meter vor dir auf dem Boden. Deine Halswirbelsäule wird es dir danken! Ein Hindernis, das es quasi in jedem Studio zu überwinden gilt ist, dass das Squatrack in der Regel vor einem Spiegel steht. Das verleitet den Sportler oft dazu während der Kniebeuge sich selbst im Spiegel zu korrigieren. Der Blick auf den Boden bringt neben der angenehmen HWS – Position noch weitere Vorteile mit sich. Zum Beispiel gilt der Boden als naher & sicherer Referenzpunkt, der es uns ermöglicht schnell auf Unregelmäßigkeit während der Bewegung zu reagieren.
Sportler - Hantel System
Nachdem man sich mit der unteren Endposition vertraut gemacht hat, kommt nun der nächste Schritt. Die Langhantel. Zuerst sollte das Rack oder der Kniebeugeständer, je nachdem was vorhanden ist richtig eingestellt werden. Richtig bedeutet, dass die Rack auf Höhe des Brustbeins eingestellt wird. Nachdem das erledigt ist greift man nun die LEERE Langhantel in einem gleichmäßigen Abstand. Die Griffbreite hängt von der Schulterbreite und der dazu gehörigen Beweglichkeit des Sportlers ab. Ganz gleich für welche Griffbreite man sich entscheidet ein möglichst enger Griff bringt den Vorteil, dass somit die obere Rückenmuskulatur besser angespannt wird und sich die Langhantel optimal in den Trapezmuskel „eingraben“ kann. Wichtig ist die obere Rückenmuskulatur anzuspannen, bevor die Langhantel auf dem Rücken liegt. Somit hebt sich das Brustbein automatisch. Wer Probleme mit der Beweglichkeit hat sollte dafür sorgen, dass dies bald kein Problem mehr darstellt. So viel zum Thema „unbewegliche Kraftsportler“. Wenn du aktuell noch zu unbeweglich für den low bar Squat bist, solltest du zuerst mit dem high bar Squat beginnen. Da ein low bar Squat günstigere Hebel als die high bar Variante besitzt sollte es das Ziel sein, diesen irgendwann problemlos ausführen zu können. Egal welche Variante aktuell bevorzugt wird, achte darauf, dass kein Gewicht auf dem Hand- beziehungsweise Ellenbogengelenk lastet. Die Daumen sollen deshalb auf der Stange und die Hände in einer Verlängerung zu den Unterarmen liegen. Ist das eingestellt werden die Ellenbogen nach hinten/oben positioniert.
Nun, nachdem das geklärt ist sollte man beachten, dass die Langhantel beidbeinig aus dem Rack geholt wird. NICHT in Form eines Ausfallschritts. Nachdem nun die Langhantel optimal aufgeladen wurde geht man ein bis zwei Schritte rückwärts um sich für die Kniebeuge in Position zu bringen. Beachte hierbei, die Langhantel nicht spazieren zu führen. Ein bis zwei Schritte rückwärts sind in der Regel völlig ausreichend. Nun nimmt man dieselbe Position ein, die du bereits beim Erlernen des Hip Drive beziehungsweise der unteren Endposition kennengelernt hast. Nun gehst du entschlossen in die Hocke während du einatmest und stößt im Anschluss das Gesäß kraftvoll mit der Ausatmung nach oben.
Dabei gilt der Boden als guter Referenzpunkt, um die Ab- und Aufwärtsbewegung zu kontrollieren. Ab nun lässt du nichts mehr anderes gelten, als eine adäquate Tiefe der Kniebeuge. Eine adäquate Tiefe wäre erreicht sobald die Oberschenkelknochen parallel zum Kniegelenk stehen. Nach der fünften Wiederholung geht es auf demselben Weg wieder zurück in das Rack. Damit ist der erste Satz Kniebeugen geschafft. Es bietet sich an, die Ausführung von einem kritischen und ehrlichen Trainingspartner überprüfen zu lassen und/oder sich regelmäßig selbst zu filmen, um in Ruhe die Ausführung zu analysieren und falls nötig das nächste Mal zu korrigieren.
Wie geht es weiter?
Vor allem zum Erlernen neuer Bewegungsabläufe, in dem Fall der Kniebeuge, bieten sich viele Wiederholungen mit relativ leichtem Gewicht an. Angepeilt sollten auf jeden Fall mindestens 100 Wiederholungen pro Trainingseinheit werden. Fühlt man sich wohl in der unteren Endposition & die Ausführung passt, wird mit der Zeit das Gewicht progressiv gesteigert. Je nachdem welche Voraussetzungen der Sportler mitbringt (Geschlecht, Sportart, usw) kann das Gewicht von Trainingseinheit zu Trainingseinheit gesteigert werden. In der Praxis haben sich 2,5 bis 5 kg Steigerungen pro Trainingseinheit bewährt. Kräftige Personen oder Sportler mit günstigen Hebeln könnten anfangs theoretisch das Gewicht schneller steigern. Es gilt vor allem, dass nur so weit erhöht wird so dass die Ausführung nicht darunter leidet. Der Mittelfuß ist der bevorzugte Gleichgewichtspunkt des Körpers und somit der stabilste Kontaktpunkt zum Boden. Jede Abweichung stellt einen unnötigen und vor allem vermeidbaren Hebel dar für den man nur zusätzlich Kraft aufwenden muss, um ihn auszugleichen. Wem das zu wenig Steigerung ist, sollte seine mathematischen Fähigkeiten stark hinterfragen. Mit dieser Methode kommt man nicht nur sehr weit und wird sehr stark, man schafft es zum Beispiel innerhalb von 10 Trainingseinheiten das Gewicht THEORETISCH um 50 kg zu steigern. Während man das erste Kniebeuge – Training noch mit der leeren Langhantel auf dem Rücken begonnen hat, liegen nun bereits 70 kg auf dem Rücken.
Tipp |
Ein Tipp aus der Praxis. Theoretisch, vor allem am Anfang einer Sportlerkarriere wird man sehr schnell, sehr viel stärker. Da das Leben allerdings nicht immer progressiv verläuft und Hindernisse oder Probleme auftreten, die das Training negativ beeinflussen, wird nur im optimalen Fall jede Woche das Gewicht um das gewünschte Gewicht gesteigert werden können. Sollte man sich also in einer Trainingseinheit nicht steigern können, ist das kein Grund zur Besorgnis. So ist das nun mal, wenn eine Vielzahl von Faktoren die Leistungsfähigkeit beeinflussen. Aussagekräftig ist die Progression der letzten Wochen, Monate und Jahre. Bleibt diese aus sollte man sich ernsthaft hinterfragen. Somit sind die Grundlagen gelegt und du weißt wie du die nächsten Wochen vorgehen kannst. |
Literatur
- Starting Strength – Mark Riptoe
- PITT Force – Professional Intensity Training Technique – Karsten Pfützenreuter